«Tervetuloa Äkäslompoloon!» Völlig verwirrt schaue ich die Rezeptionistin an, welche mir den Schlüssel für mein Blockhaus überreicht. Ich habe eine längere Reise hinter mir und bin nach wenigen Augenblicken in Lappland schon von dieser Naturschönheit fasziniert und kann daher dem Gesprächsfluss nicht mehr ganz folgen – schon gar nicht auf Finnisch. «Welcome to Äkäslompolo. It's wonderfull, you will see», ergänzt sie auf Englisch. Wie recht sie damit hat!
Während meines viermonatigen Aufenthalts in Äkäslompolo war ich für den Kuoni Spezialisten Kontiki Reisen als Gästebetreuer tätig. Wir bieten einen Rundumservice und begleiten die Kund:innen von Beginn bis zum Ende ihrer Reise und sorgen für ein unvergessliches Ferienerlebnis. Während die Gäste bei uns sind, treten wir aus verschiedensten Gründen mit ihnen in Kontakt. Verständnisprobleme, Ausflugs- und Restaurantreservation oder die Weitergabe unserer Geheimtipps für eine Schneeschuhwanderung. Wir wissen fast immer zu helfen. Ein Ereignis, das mir besonders in Erinnerung bleibt, war als einer Kundin das Smartphone während einer Schneemobiltour aus der Hosentasche fiel. Nach einigen Telefonaten konnten wir das Handy in der Nachbarsgemeinde Ylläsjärvi lokalisieren. Da die Kunden kein Mietauto gebucht hatten, machten wir uns auf eine 30-minütige Autofahrt und brachten das Handy den Kunden direkt ins Blockhaus. Wie es unschwer zu erkennen ist, gibt es fast nichts, was wir nicht tun, um die schönsten Ferienmomente zu schaffen.
Heute ist mein erster freier Tag und ich will aktiv sein. Doch bei all den Eindrücken, welche ich in den letzten zwei Wochen gesammelt habe, ist mir entfallen, dass bereits der 23. Dezember ist. Viel Zeit bis zum Sonnenuntergang bleibt mir nicht. Schnell ziehe ich meine warme Kleidung an und packe meine Schneeschuhe. Mein erstes Ziel: Die «Pyhän Laurin Kappeli» – die Kirche Äkäslompolos. Von dort aus gehe ich weiter auf den Kuer – einer der sieben Berge rund um Äkäslompolo. Der Pfad führt mich durch einen tief verschneiten, romantischen Wald, über helle Lichtungen bis hin zum Gipfel des Kuers. Oben angekommen, fühle ich mein Herz höherschlagen und merke, dass ich wie in Stein gemeisselt den Ausblick auf die Weite der lappländischen Landschaft geniesse, das Ganze gekrönt durch den malerischen, fast kitschigen Sonnenuntergang, welcher den Himmel in orangelila Tönen färbt. Von den Freudetränen bin ich nicht mehr weit entfernt.
Es gibt Tage wie diese: Die Sonne scheint, der Himmel schimmert in Dämmerungstönen, und es sind ₋15 °C – Lappland wie aus dem Bilderbuch. Ohne Frühstück mache ich mich mit dem Fatbike auf den Weg. Zuerst führt mich die Route zur Navetta Galleria. Ein Loipencafé nördlich des Dorfkerns. Geschmückt mit skurrilen Skulpturen und Ölgemälden, auf welchen Waldgeister abgebildet sind. Etwas düster, und trotzdem herzlich.
Nach dieser kurzen Verschnaufpause geht es weiter Richtung Nordost. Auf einem kleinen zugefrorenen See mache ich einen Stopp, halte inne und bestaune einmal mehr die wundervolle Natur. Ein Eichhörnchen springt waghalsig von Baum zu Baum, und ein Schneehase hoppelt über den See. Mein nächster Halt ist das Loipencafé Kotamaja. Etwas ausser Atem trete ich ins Café und werde herzlich begrüsst. Ich hole mir einen Munkki und einen schwarzen Kaffee und wärme mich am Feuer auf. Jetzt bin ich wieder bei vollen Kräften und bin bereit für die zweite Hälfte meiner Tour. Durch tiefe Wälder und über offene Seen, entlang am Kesänkijärvi führt mich der Weg zurück nach Äkäslompolo, wo mich bereits die vorgeheizte Sauna erwartet.
Wir geniessen ein vorzügliches Rentierfilet in einem der besten Restaurants in Äkäslompolo und besprechen unser Vorhaben für heute Abend. Wir treffen uns um 21 Uhr am Parkplatz des Kesänkijärvi und schreiten anschliessend mit Schneeschuhen und Stöcken Richtung Kota Tahkokuru. Aufgrund der geringen Lichtverschmutzung bietet dieser Ort perfekte Voraussetzungen für die Sichtung der Nordlichter. Nachdem wir oben angekommen sind, machen wir es uns zuerst einmal in der Kota gemütlich. Wir feuern ein und bräteln unsere Würste. In der Zwischenzeit bereite ich Kamera und Stativ vor. Doch der Himmel bleibt dunkel. Es dauert eine Weile, doch dann bilden sich wie aus dem Nichts grüne und violette Nordlichter. Hinter den wellenartig tanzenden Nordlichtern schimmern die Sterne in ihrer vollen Pracht. Aus der finsteren Nacht wird Tag. Es sind wahrlich Momente wie diese, an welche ich mich noch in vielen Jahren mit einem Lächeln im Gesicht erinnern werde.
Text & Bilder: Flavio Giorgetti
Erstveröffentlichung: 15.10.2022