Eine spontane Idee und ein erschwingliches Angebot führte mich 1995 auf die Malediven. Das Ziel: ein Tauchbrevet!
Es war jene Reise, die mein Leben stärker prägen sollte, als ich mir dies je hätte vorstellen können. Die entfachte Leidenschaft fürs Meer und seine Bewohner lotste mich bald zu Manta, lenkte meine berufliche Laufbahn und öffnete die Tür zu den schönsten Riffen der Welt. Nach langjähriger Abstinenz von «richtigen» Tauchreisen sollte nun endlich das Comeback erfolgen. Meine Rückkehr zum Tauchen – genau dort, wo alles begann.
Malediven, Indonesien, Palau – was hatte ich damals nicht alles betaucht, die Unabhängigkeit junger Jahre voll ausgekostet. Mit meinem perfekten Buddy, der die Freude für Unterwasser- und Inselwelten seit je mit mir teilte. Irgendwann haben wir den Fokus auf Familien- statt Tauchferien gelegt, sind seither kaum mehr unter Wasser gewesen. So entstand die Frage, was ist noch dran, an der alten Liebe, dem Tauchen? Hab ich’s noch drauf mit Tiefe, Tarierung, Strömung? Wenn auch leider alleine, ergab sich Jahre später endlich die Möglichkeit, dies für mich herauszufinden. Eine Schiffsreise mit Hauptmotiv Tauchen, und doch gewährt das Leben an Bord soziale Kontakte zu Gleichgesinnten. Doch was geben die maledivischen Riffe heute noch her? War früher nicht alles besser?
Nach dem Flug ins Paradies heisst es erst mal Einschiffen, Auspacken, Kennenlernen, Essen. Ein Rundgang übers Schiff, ein Briefing zu den Abläufen an Bord. Doch das Wetter spielt nicht mit. Starker Wind und Regen grüssen. Dann endlich, der lang ersehnte Sprung ins Nass. Stille – nur das vertraute Blubbern bei jedem Atemzug. Sofort wird mir klar, ich bin wieder daheim. Alle Nervosität und Zweifel sind wie der Regen an der Oberfläche geblieben. Das Riff ist blass, beschädigt durch die Korallenbleichen der letzten Jahre. Doch all die Fische! In den ersten Minuten schon kreuzen Stachelrochen unseren Weg, ein Dutzend Muränen guckt aus Spalten am Riff, eine Schildkröte schwebt vorbei. Im Blau wuselt es von Falter- und Wimpelfischen. Als die Nacht einbricht, wiegen mich sanfte Wellen zufrieden und erfüllt in den Schlaf.
Weckruf um sieben Uhr! Nach dem kleinen Frühstück steht ein erstes Highlight in Aussicht – der Lankan Manta Point Nord-Malé-Atoll. Obwohl der bekannte Spot oft von Tauchern besucht wird, lassen sich bis zu sechs Mantas ungestört bestaunen. Nach dem grossen Frühstück fahren wir zum Kandooma Thila im Süd-Malé-Atoll. Die Strömung zieht! Schnell abtauchen und dagegenhalten, sonst verpassen wir die tiefe Riffkante. Hektik, schneller Atem – ich bin doch nicht mehr ganz so routiniert wie auch schon. Im Strömungsschatten eines Korallenblocks heisst es erst mal atmen und beruhigen. Langsam nehme ich die Umgebung wahr, bin sofort fasziniert. Eine magische Welt mit Überhängen, Schluchten, massiven Blöcken umgibt mich, überwuchert mit bunt schimmernden Korallen. Fische, so weit das Auge reicht! Wolken von Riffbarschen, Süsslippen und weiter draussen zig Makrelen und Barrakudas. Ich schaue noch dem Adlerrochen nach, als ich Schatten über dem Kanalgrund schweben sehe. Graue Riffhaie – majestätisch, fast bewegungslos stehen sie in der Strömung. Einzelne nähern sich und schweben dicht überm Riff. Sie verharren starr, als die Putzerfische ihr Handwerk tun. Wir lassen uns treiben und kreuzen im Flug weitere Haie, Schildkröten und einen Oktopus… So, genau so muss Malediven-Tauchen sein. Zumindest bis wir die Oberfläche erreicht haben und uns in einem heftigen Gewittersturm finden.
Wir geniessen die darauffolgenden Tage. Jeder Tauchgang bietet Höhepunkte. So gesellt sich am letzten Abend ein Manta ans Heck des Bootes, um im Scheinwerferlicht während Stunden Runden und Loopings zu drehen und Plankton zu filtern. Nur Armlängen von uns entfernt – was für ein Abschluss!
Ich bin glücklich, die Tauchabstinenz ohne grössere Nöte oder Zweifel überwunden zu haben.
Und in die Malediven als Tauchziel habe ich mich neu verliebt. Auch wenn sich hier manches über die Jahre verändert hat, bin ich absolut begeistert. Nicht nur was Organisation, Komfort, Kulinarik und Sicherheit betrifft, sondern auch wegen der Schönheit der Natur und der Qualität des Tauchens. Klar, die Korallen waren auch schon besser dran. Im Flachwasserbereich sind die Folgen der Korallenbleiche doch verbreitet und massiv. Unter 15 Metern trifft man aber oft auf herrliche Rifflandschaften. Aber ganz klar machen hier die Fische den Unterschied. Nicht nur die dicken Grossen, welche wirklich zahlreich vertreten sind, sondern auch die unglaubliche Masse an Fischleibern am Riff und im Blauwasser. Und im Gegenzug zu manch andern Tauchspots scheinen die Bestände hier intakt, stabil und gesichert. Vermisst habe ich einzig meinen perfekten Tauchbuddy, aber wer weiss, vielleicht kommt er das nächste Mal ja wieder mit.
Text & Bilder: Thomas Meier
Erstveröffentlichung: 23.05.2019